Spaziergänge tun gut zum Durchatmen. Auch wenn die Luft mit zunehmender Höhe natürlich noch dünner wird.
Weil der Blog ohne Bilder leblos wird, möchte ich vom letzten ein paar Teilen:
Spaziergänge tun gut zum Durchatmen. Auch wenn die Luft mit zunehmender Höhe natürlich noch dünner wird.
Weil der Blog ohne Bilder leblos wird, möchte ich vom letzten ein paar Teilen:
Wer hätte gedacht, dass es in Peru Rehe gibt? Die passen von der Vorstellung her doch eher in den mit Hochständen gespickten Spessart.
Doch nur eine halbe Autostunde von Curahuasi entfernt können in der Abenddämmerung oft Tiere beobachtet werden.
Das Wild wird auch gejagt und mein Chef, der öfter an Jagdausflügen teilnimmt, hat sein Team gestern Nachmittag eingeladen, mitzukommen.
Mit einem schmalen alten Van ging es die Panamericana entlang und dann einen verschlammten Feldweg hoch, wobei das Fahrzeug mehrfach beihnahe stecken blieb.
Als ein kleiner Bach eine Weiterfahrt unmöglich machte, ging es zu Fuß weiter und es dauerte keine Dreiviertelstunde bis mein Kollege Miguel (Support und Server-Administration) das erste Reh erblickte. Dummerweise trieb genau in diesem Moment eine Hirtin eine ganze Schweineherde direkt an uns vorbei. Ihre Hunde mochten uns nicht und bellten so laut, dass das Reh sich davon machte, bevor ich es überhaupt gesehen hatte.
Mein Chef Benjamin und der Schütze (noch ein Miguel), teilten uns daraufhin in drei Gruppen ein, um das Tier einzukesseln.
Meine Gruppe schlug einen Umweg, so dass wir hangaufwärts der Chacra, in der wir sein Versteck vermuteten, einen guten Überblick über die ganze Hanglage hatten.
Ein anderer begab sich ins Dickicht, um das Tier aufzuscheuchen.
Schließlich konnten wir es aus unserer Position an anderer Stelle als vermutet ausfindig machen und zeigten dem Schützen mit ausgestrecktem Arm die ungefähre Richtung an. Dieser war linksseits auf einem kleineren Hügel in Position gegangen und gab einen Schuss auf das nun die ihm gegenüberliegende Seite des Kessels hinaufspringende Reh ab, ohne es jedoch zu treffen. Wir nahmen die Verfolgung auf, doch konnten es, an der nächsten Hügelkette angekommen, nur noch weit entfernt davon galoppieren sehen.
Wir setzten unsere Wanderung bis in die Nacht fort.
Jeder leuchtete dann mit seiner eigenen abgedeckten Taschenlampe so nach unten, dass es gerade so ausreichte, um im unwegsamen Gelände nicht zu stürzen.
Der Suchkegel einer einzigen sehr starken Lampe suchte dabei die Hänge nach Reflektionen von Augenpaaren ab. Doch wir entdeckten nichts mehr und mussten uns auf den Rückweg machen.
Daran änderte sich auch nichts, als wir auf dem Rückweg noch einen zweiten Abstecher zu Fuß unternahmen.
Der Ausflug blieb rein vegetarisch, doch gelohnt hat er sich trotzdem.
Die schweren Bergschuhe dehnen die ausgerissenen Henkel der Plastiktüte nach unten, als würden sie ihrem Metier, dem Boden, aus eigener Kraft entgegenstreben und wirken daher in der Hand getragen noch gewichtiger als am Fuße. Das abgenutzte Leder zeugt von treu durchdienten schneenassen Wintern und staubigen Wanderwegen im Sommer. Die Nähte halten es mit der Entschlossenheit, ein weiteres Jahrzehnt lang gute Dienste zu leisten, fest zusammen. Es sind die mürben Sohlen, die diesem Anspruch im Wege stehen, abgerieben durch jeden der Hunderttausende geleisteter Schritte, jüngst versprödet durchs Ultraviolett der Andensonne, und schließlich auf Abstieg von Machu Pichu nach Aguas Calientes so zerfleddert, dass sich ein horizontaler Spalt zwischen Absterben und Ablösung beständig weiter auftut.
Ablösung ist ein gutes Stichwort, denn ein Austausch ist die letzte Hoffnung für die Weiternutzung der noch tauglichen Bestandteile des Gegenstandes, dessen Ende in einem Land hoher Lohnkosten durch die Unwirtschaftlichkeit seiner Reparatur besiegelt wäre. Peru ist kein Land hoher Lohnkosten.
Ich trage die Tüte mit den Schuhen durch die von Marktständen verengte Gasse. Schlängele mich an Metzgern und ihrem Angebot gehäuteter Meerschweinchen, Schweineköpfe und Fleischhaufen vorbei. Da: Es ist das erste Mal, dass ich sehe, wie ein Hund in Verachtung seiner Grenzen Anstalten macht, sich an einem Haufen Steaks zu bedienen, der von der Verkäuferin sogleich mit beiden Armen schützend nach hinten gezogen wird. Hoffentlich rechtzeitig, aber ich bin mir nicht sicher, ob der Hund nicht doch zumindest daran geleckt hat. Die Stimme, mit der sie den Hund verjagt, klingt eher beleidigt als drohend. Der Hund hätte wissen müssen, dass dran zu lecken die Etiquette verletzt. Tatsächlich frage ich mich, was die Hunde dazu bringt, meist erstaunlich diszipliniert an den rohen Verlockungen vorbeizugehen. An den vielen Fliegen stören sie sich bestimmt nicht.
Gemüse. Allerlei Alltagsgegenstände. Irgendwo hier in der Nähe meine ich mal einen Schuster gesehen zu haben. Doch der müsste eigentlich schon bald kommen, sonst habe ich mich vielleicht doch geirrt. Auf meine Orientierung ist eigentlich kein Verlass. Heute klappt es. Gegenüber der Kreuzung weist der Schriftzug „Calzado“ auf das von mir gesuchte Handwerk hin. Die Werkstatt scheint geöffnet zu sein. Beim Näherkommen erblicke ich schon die alten Nähmaschinen im dunklen Innenraum, an der mehrere Schuster bei der Arbeit sind. Einer steht draußen und erblickt mich und den Inhalt meiner Tüte. Kommt mir entgegen und macht mich auf ihn aufmerksam so als sei das noch notwendig. Das ist erfreuliches ein Anzeichen dafür, dass er heute genug Zeit hat. Ausgerechnet jetzt muss ich erst suchen, bevor ich die Stelle finde, an der die Sohle sich falltürähnlich nach unten klappen lässt. Es ist sogar ein Ersatzteil in der passenden Größe vorhanden, nicht von allerbester Qualität, aber immerhin mit tiefem Profil. Ich tausche 20 Soles Vorschuss gegen die Zusage, dass ich die Schuhe bis zum Mittag abholen kann.
In der Markthalle besorge ich am gewohnten Stand einen Laib des gewohnten Goudas. Auf dem Weg zum Treffpunkt mit dem Rest der Truppe kann ich einem Automaten gebührenfreies Bargeld für die nächsten Monate entlocken. Der Treffpunkt ist der touristische Starbucks direkt neben der Kathedrale. Mit meinem Rucksack sehe ich notgedrungen wie ein Tourist aus, so dass der „Barista“ versucht, meine zur Zeitüberbrückung unumgängliche Bestellung Einheitscappucino auf Englisch entgegenzunehmen. Ich weiß gar nicht, warum ich stur auf Spanisch antworte, bis er das sein lässt. Das WLAN ist besser als der Kaffee. Und die Gesellschaft ist besser als das WLAN: Unverabredeterweise stoße ich auf weitere Missionare, die an diesem Wochenende Besorgungen in Cusco erledigen.
Die Vervollständigung der Truppe verzögert sich: Obwohl der Werkstatttermin, zu dem die anderen das Auto bringen sollen, schon seit Wochen feststeht, ist das notwendige Ersatzteil allen Abmachungen zum Trotz nicht auf Lager und es fällt den Mitarbeitern so schwer, das zuzugeben, dass sie eine halbe Stunde dafür benötigen. Glücklicherweise prägt diese Unzuverlässigkeit nicht den Rest des Tages.
Als ich etwa um zwölf komme, um meine Schuhe abzuholen, sehe ich diese schon mit geklebter Sohle bereitstehen. Ich solle mich jedoch noch zehn Minuten gedulden, meint der freundliche Schuster, der noch schnell eine zwischengeschobene Reparatur beendet und dann beginnt, die Sohlen zusätzlich festzunähen. Ich nehme auf einer kleinen gut gefüllten Wartebank Platz und bekomme sogar eine illustrierte Lokalzeitung gereicht. Als ich durch die durch habe, und versuche, über das rückseitige Kreuzworträtsel nachzudenken, reicht er mir sogar einen Kugelschreiber. Nein, es mache ihm wirklich nichts aus, wenn ich es ausfülle. Etwas über die Hälfte der Kästchen ist noch weiß (und würde es wohl auch weiterhin bleiben, solange ich nicht wenigstens zu Übersetzungszwecken das Handy zur Hilfe nehme), als er seine Arbeit auch schon beendet hat. Ich bin mit dem Ergebnis und der Einhaltung des Zeitrahmens äußerst zufrieden und bezahle den Rest der vereinbarten Summe, die dem Gegenwert zweier Paar guter Bergsocken in denjenigen deutschen Outdoorshops entspricht, in denen man über den Vorschlag, Schuhe zu reparieren den Kopf geschüttelt hätte.
Den Rest des Tages verbringen wir damit, in einem Einkaufzentrum Dinge zu kaufen, die nicht so lebensnotwendig sind, dass man sie im Dorf kaufen könnte, die andererseits aber in jeder Großstadt erhältlich sind. Mehr Wäscheklammern, bestimmte Gewürze und andere Kochzutaten. Eine Lichterkette für Weihnachten. Die Welt drinnen hat mit der Welt außerhalb der Mall wenig zu tun und es denken sich hundertfach die gleichen Gedanken: „Oh, hier gibt’s ja XYZ. – Brauche ich das? – Eigentlich nicht, Du kommst ja sonst auch ohne aus. – Aber in Deutschland würde ich es mir einfach kaufen. – Aber es ist schon ganz schön teuer, verglichen mit sonstigen Einkäufen in Curahuasi. Fast so teuer wie in Deutschland. Das ist Verschwendung. Überleg mal, wie lange Du davon in Curahuasi leben könntest!“. Die Tiefkühlmuscheln bleiben im Tiefkühlregal, doch drei(!) kleine Gläser mit Sauerkirschen(!), Nachtisch für die ganze WG, schaffen es in den Einkaufswagen.
Einerseits freue ich mich über die beschafften Dinge, andererseits wäre eigentlich alles auch verzichtbar gewesen, was die zweite, in der konstruierten Welt, die aussieht wie eine aus Glas, Produktauslagen, Werbeflächen und Fastfoodkettenlokalen nachgebaute Webseite, verbrachte Tageshälfte irgendwie verstörend macht.
Gestern nutzte ich das sonnige Samstagswetter, um den Chirurgen Reinhard, die Anästesistin Elisabeth und den FSJler Carl bei einer wunderbaren Wanderung in das nahegelegene Dorf Cachora zu begleiten. Das frühe Aufstehen wurde mit einem schattigen Aufstieg belohnt. Obwohl es ein Wolkenband gab, befand sich dieses genau auf der richtigen Höhe, um untendrunter durch auf die Schlucht und obendrüber auf die verschneiten Gletscher blicken zu können.
Von Curahuasi aus erreicht man in unter einer Stunde den Mirador, also Aussichtspunkt, San Cristobal.
Der Nachmittagsspaziergang eröffnet eine wunderbare Aussicht auf den in der dahinterliegenden Schlucht verlaufenden Fluss Apurimac und natürlich auf das Dorf. Auch oben hört man noch die von diesem ausgehende übliche Musik-Beschallung.
Am Wochenende habe ich mir die Freiheit genommen, frei zu haben und meine Akklimatisation auf die Probe gestellt.
Gemeinsam mit einem FSJler, den ich im Instituto kennen gelernt habe, habe ich mich einer großen Gruppe Peruaner angeschlossen, die anlässlich des 115-jährigen Bestehens des Gipfelkreuzes auf dem El Misti eben diesen Vulkan bestieg. Mit letzter Kraft am Gipfel (5820m) angekommen, trafen wir dort endlich den Herrn, der hier seinen 94.(!) Geburtstag feierte. Natürlich war er aus eigener Kraft hochgestiegen und hat es damit nicht nur auf den höchsten Punkt des Berges sondern auch in die Lokalzeitung geschafft. Respekt!