Schmetterlinge im Bauch? 

Oder vielleicht Würmer? Aus gegebenem Anlass, also entsprechenden Symptomen,  musste dieser Frage nachgegangen werden. Und zwar mittels einer Stuhlprobe (nicht im Möbelhaus, versteht sich). Das Ergebnis ist nicht ganz so positiv wie Schmetterlinge, sondern deutlich beschaulicher (und meiner Ansicht nach auch weniger romantisch): Es handelt sich um Amöben. Ich habe kein großes Verständnis für Einzeller, die es sich an der Darmwand gemütlich und das große Geschäft ungemütlich machen. Wie gut, dass es ein Gegenmittel gibt. Mit diesem Problem hatte eigentlich jeder Neuankömmling mal zu kämpfen, sagte man mir. 

Update: Es geht mir wieder besser. Seit dem 02.12. kann ich wieder normal essen. 

Der hässlichste Adventskranz (der Welt?) und andere kreisende Gedanken

Wie kann man die Freude auf Weihnachten steigern?

Manchmal ist das mit der Freude gar nicht so einfach, wenn der Jahresendstress kommt und durch regelmäßige (zwei pro Woche) vorweihnachtliche Festivitäten verschiedener Qualität (hierbei gibt es erfahrungsgemäß insbesonders hinsichtlich der Plätzchen gravierende Unterschiede, denn die Skala reicht von Zementbröseln mit ausgetrocknetem Bauschaumtupferl bis hin zu saftigen Zimtsternen mit Eischneeüberzug, die um viele Zehnerpotenzen jünger als ihr Rezept sind) zudem ordentlich angefacht wird, so wie vermutlich auch dieses Jahr in Europa. Oder wenn es zu warm und zu hell ist, so wie zum Beispiel hier in Südamerika.

Wenn jemand wirklich auf der Suche nach weihnachtlicher Stimmung ist, dann würde ich empfehlen, sich eine ruhige Minute zu verschaffen und an allem festlichen vorbei zum Kern der Sache vorzudringen, also zum Jubilanten des anstehenden Jubiläums, zum Beispiel (aber nur zum Beispiel) durch das Lesen des alten Textes Jesaja 11. Der ist sogar so alt, dass er die Geburt Jesu, die ja auch schon wieder ein paar Jahre her ist, mit ein paar Jahrhunderten Vorsprung ankündigen kann. Ein kurzer Auszug für die, die dazu keine Zeit (Stichwort: Vorweihnachtsstress, eine höchst paradoxe aber existente Angelegenheit) haben, aber Lust gehabt hätten:

Und ein Reis wird hervorgehen aus dem Stumpf Isais, und ein Schössling aus seinen Wurzeln wird Frucht bringen. Und auf ihm wird ruhen der Geist des HERRN, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Kraft, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn, und sein Wohlgefallen wird sein an der Frucht des HERRN.

Klingt gut, würde ich sagen. Auf so einen Messias kann man sich durchaus freuen, besonders aus der heutigen Perspektive, dass er schon mal da war, sodass die Menschen sich von diesen Eigenschaften überzeugen konnten (nicht mal die Ungläubigen sagen Jesus schlechte Eigenschaften nach).

(Hier endet (fast)  der inhaltlich wichtige Teil des Beitrags)

Und wenn man dann zusätzlich zum Wichtigen in eine feierliche ruhige Stimmung kommen möchte, empfehle ich (das ist aber Geschmackssache), Motetten von J.S.Bach zu hören. Musikalisch kann nicht jeder etwas damit anfangen.

An dieser Stelle hilft so manche süßliche Geschmacklosigkeit aus, die die Adventszeit so unerträglich macht, dass Vorfreude auf den Festtag der einzige Ausweg bleibt. Dazu habe dieses Jahr auch ich meinen Teil beigetragen und präsentiere stolz den hässlichsten Adventskranz der Welt (oder zumindest eine Approximation).


Das Zentrum bildet als traditionelles Element eine einzige rote, hier bedauerlicherweise parfürmierte Kerze. Diese wird ökonomisch durch eine korrektere Anzahl von vier Teelichtern ergänzt, die der temporalen Indikatorfunktion der runden Dekorationsobjekte Rechnung tragen. Separiert werden die komplemetären Leuchtmittel durch einen Reigen recycelter Vegetation zum Ersatz der kanonischen grünen Nadelholzwindungen. Die gesamte Komposition ist auf einer silbernen PVC-Basisplatte aus dem Weihnachtssortiment eines Cusqueñischen Baumarktes arrangiert, die nicht nur das Kerzenlicht, sondern auch den ästhetisch seiner Klasse nicht gewachsenen Charakter des Advenzkranzes widerspiegelt. Aufgrund seiner optischen Eigenschaften kommt dieses Objekt noch mehr als vergleichbare Produkte vor allem im Dunkeln gut zur Geltung.

Warum ich ihn denn habe, wenn ich mich so über ihn beschwere? Weil er seine Funktion erfüllen wird. Ein kleines sichtbares Licht weist auf das große kommende Licht hin, an dem nichts auszusetzen sein wird.

Der Kern von Weihnachten ist gewisserweise geschmacksneutral, und zwar im positiven Sinne: Wer Plätzchen, Glühwein und beschaulichem Beisammensein im Kerzenschein nichts abgewinnen kann, der muss diese zartschmelzende Schokoladenumhüllung nicht erst ablutschen, sondern darf direkt zum zentralen Kern greifen, und diesen begreifen, das ist die Geburt des Messias in einem Stall. (Das war jetzt doch wieder wichtig)

Und: Ich habe nichts gegen Zimtsterne.

Nach einer Woche

Nach dieser ersten Woche kann ich ein positives Fazit ziehen. Und zwar eines, das über ein „endlich Wochenende!“ weit hinaus geht. Das langwierige Einrichten am ersten Arbeitstag beschränkte sich zum Glück auf diesen. (Ein apt-get upgrade, also das Aktualisieren aller Software-Pakete habe ich bisher zwar noch nicht bewerkstelligen können, weil die Verbindung nachts immer wieder abreißt, aber es lässt sich auch sehr gut ohne arbeiten). Ich konnte also schon mit dem Programmieren anfangen, was großen Spaß macht. Noch geht es relativ langsam voran, weil ich noch nie mit dem Framework gearbeitet habe. Ich bin aber zuversichtlich, dass das in den nächsten Wochen mit zunehmender Einarbeitung eine Beschleunigung stattfinden wird. Das ist gut so, denn die Liste der Funktionen, die sich die verschiedenen Abteilungen des Krankenhauses wünschen, ist lang (Insbesondere ist sie vermutlich unendlich). Außerdem möchten wir das alte System loswerden, das noch parallel läuft. Im Moment bin ich damit beschäftigt, daraus bestimmte Funktionen ins neue System zu portieren. Wenn wir damit fertig sind (das wird aber noch ein paar Monate dauern), können wir das alte System abschalten. Abgesehen von der Entwicklung gibt es immer mal wieder völlig andere Aufgaben (zum Beispiel bin ich als einziger Deutscher im Team dazu prädestiniert, Vergleichsangebote aus Deutschland einzuholen, wenn es um Hardware-Beschaffungen geht).
In Curahuasi habe ich mich mitlerweile einigermaßen eingelebt. Es gibt natürlich Unterschiede zum Leben in Deutschland, vor allem was das Kaufen von Lebensmitteln betrifft)

Erster Arbeitstag

Lange habe ich mich darauf gefreut, endlich richtig loszulegen. Heute war es soweit. Es stand an, meinen Arbeitsplatz einzurichten (der Schreibtisch stand schon, die Technik konnte ich mir aus dem Lager zusammen suchen. Vielleicht finde ich irgendwann auch noch eine Tastatur mit weniger schwammigem Druckpunkt). Danach stand die Installation des Systems an. Glücklicherweise gab es eine DVD mit Ubuntu, doch beim Installieren der Software musste einiges über die Internetverbindung laufen. Deren Geschwindigkeit ist unterirdisch, weil die Anbindung via UMTS durch die Luft erfolgt. Wohlgemerkt die Anbindung eines ganzen Krankenkauses. Dafür werden mehreren  handelsübliche UMTS-Sticks ins Netz eingehängt. Obwohl ich für die Installation einen eigenen Stick ganz für mich nutzen durfte, ging es sehr schleppend voran und ich musste viel Zeit mit Warten verbringen, teilweise unter Lesen von noch mehr Rails-Literatur. Über Nacht läuft nun ein allgemeines Systemupdate, ein halbes  Gigabyte groß. Hoffentlich reißt die Verbindung nicht ab! Eine sehr willkommene Abwechslung war deswegen die Mittagspause. Mit Wilmer (dem Linux-Guru) verleibte ich mir in der Kantine leckeren Fisch ein. Auf der anderen Seite saß der jüngere der beiden Krankenhauspastoren. Irgendwie kamen wir auf Musikinstrumente zu sprechen, was den Rest der Mittagspause unglaublich versüßte, denn der frühere Gitarrist schlug vor, in der Kapelle ein wenig zu proben (ich hätte nicht gedacht, dass das möglich ist, aber man darf dort tagsüber üben). Dabei spielte Wilmer sogar Cajon, sodass wir zu dritt waren. Zum Glück sind manche der spanischen Lieder einfach Übersetzungen des bekannteren englischen Lobpreis-Liedguts. Nach der Pause ging es weiter wie vor der Pause. Am Ende des Tages hatte ich immerhin Framework, Entwicklungsumgebung und Datenbank installiert, den Code ausgecheckt und eine Testdatenbank aufgesetzt. Leider läuft es noch nicht, denn ein paar Abhängigkeiten (gems)  verweigern noch die Kompilierung. Dem konnte ich heute nicht mehr beikommen, obwohl ich länger als eigentlich vorgesehen geblieben bin, weil ich mir ein abschließendes Erfolgserlebnis gewünscht hätte und auch, weil ich nicht als erster gehen wollte und aus verschiedenen Gründen alle anderen überzogen.

So kam es, dass ich auf dem Heimweg erlebte, was die Regenzeit bedeutet. Während es Tagsüber frühlingshaft warm und morgens so überzeugend sonnig gewesen war, dass ich meine Jacke auf ihrem Haken gelassen hatte, begann es abends ordentlich zu regnen und hat auch bis jetzt nicht aufgehört. Deswegen war ich sehr glücklich, den Weg zurück ins Dorf gegen Spritgeld auf der Ladefläche des umgebauten Motorrads eines netten Herrn zurücklegen zu dürfen.

Mit eigenen Augen

Heute habe ich das Hospital zum ersten Mal mit eigenen Augen gesehen. Zu Fuß lief ich die Panamericana entlang, bis am Ende des Ortes das Schild auftauchte (ganz weit hinten auf dem Foto):

Etwas größer:

Das Schild ist natürlich unwichtig. Allerding habe ich heute auch eine Führung durch das Krankenhaus bekommen und, was am wichtigsten ist: meine Kollegen kennen gelernt. Während der Führung habe ich die Augen offen gehalten und das Handy in der Tasche gelassen. Deswegen gibt es nur vom zukünftigen Büro ein Bild:

Leider habe ich kein Weitwinkelobjektiv, schon gar nicht am Handy, weswegen der dritte Arbeitsplatz nicht erkennbar ist (da arbeitet der Linux-Server-Guru). Demnächst kommt noch ein vierter dazu, meiner (ich habe Glück: ein Core i5 steht noch im Techniklager). Meine Aufgaben stehen jetzt quantitativ fest: 70% Ruby-Entwicklung an der Verwaltungssoftware und 30% Server-Administration, denn besagter Guru (er heißt Wil) wird uns leider im Januar verlassen. Bis Ersatz gefunden ist, muss ich seine Aufgaben übernehmen. Gut, dass ich so etwas noch nie gemacht habe ?. Er wird mich einlernen müssen. Noch eine interessante Beobachtung: die durchs Fenster (das Fenster ist übrigens (fast) das Einzige, das hier etwas mit Windows zu tun hat) scheinende Sonne. Netterweise hat man die IT nicht in den Keller sondern in den dritten Stock verbannt.

Und wo sind die besagten Kollegen? Sie sind schon aufgestanden, denn wir brechen gerade gemeinsam zum Mittagessen in der Kantine auf.

Diese Woche gilt es, die Wohnung fertig einzurichten und alles Nötige einzukaufen. Außerdem habe ich einen USB-Stick voller Material mitbekommen, um mich einzulesen, damit ich nächste Woche loslegen kann.

„Sind wir in Curahuasi?” 

Das fragte ich heute den Fahrer des Colectivos.  Als er bejahte, warf ich (nochmals)  einen Blick auf die Tankstelle und die Häuser um mich herum. Obwohl ich schon gewusst hatte, dass Curahuasi um die 10.000 Einwohner hat, kam mir der Ort erstaunlich groß vor. Zum Glück wurde ich, als ich bei meiner Wohnung ankam, von meinem neuen Nachbarn (und Pflegedienstleiter des Hospitals) Harry erwartet und wir nahmen gemeinsam ein Spätstück ein. Bei einem nachmittäglichen Rundgang bekam ich ein grobes Bild vom Ort und habe auch das Nötigste gleich kaufen können (zum Beispiel Klopapier. Und Nudeln, für alle Fälle). Bei der Rückkehr lerne ich das Ehepaar Klemenz kennen. Ich habe schon viel von ihnen gehört:Udo Klemenz ist der Bauingenieur, der (unter anderem)  den Bau des Krankenhauses beaufsichtigt hat. Außer Harry und mir wohnen noch zwei weitere Personen auf unserer Etage: Daniela ist die Apothekerin und Sandy eine Gynäkologin, die, anders als ihr Name es vermuten lässt,  aus Lima kommt. Die Peruanerquote beim gemeinsamen Kochen, zu dem Harry abends alle eingeladen hat, liegt also bei 25% und wir verspeisen den Nudelauflauf auf Spanisch.

Ich lege mich schlafen (in ein paar Minuten) und bin froh, gut angekommen zu sein. Das ist nicht vor allem auf die kurvige Straße bezogen, deren Kurven zu schneiden eine Angewohnheit mancher entgegenkommender Lastwagen ist (Knapp daneben ist auch vorbei). Irgendwie geht mir gerade auf, dass spätestens jetzt aus der Idee, hierher zu kommen, Realität geworden ist. Offenbar muss ich daran gezweifelt haben.