„Ich nehme den Kaiserschnitt“ 

Das sagte ich am vergangenen Donnerstag zur OP-Schwester. Das hatte aber gar nichts mit meinem schmalen Becken zu tun, ich bin ja gar nicht schwanger. Dass ich im OP-Trakt saß, hatte einen anderen Grund: Ich hatte soeben mit dem neuen Projekt begonnen, einer neuen Benutzeroberfläche für die Chirurgie, und einer meiner ersten Arbeitsschritte war gewesen, festzustellen, dass ich mir viel zu schlecht vorstellen konnte, wie Menschen im Operationssaal arbeiten. Wie wenig Zeit sie wohl haben? Wer die Tastatur überhaupt berühren darf? Wichtige Fragen, denn die umfangreichen Funktionswünsche umfassen nicht nur eine Erfassung des verbrauchten Materials per Barcodescanner und der minutengenauen Arbeitszeit (letzteres um einer neuen staatlichen Vorgabe zu genügen), sondern auch eine Zählkontrolle, damit keine Hilfsmittel unter der Bauchdecke vergessen werden. Doch wie funktioniert das eigentlich mit den Instrumenten? Und überhaupt, sagte der Professor nicht, man müsse die Arbeitsumgebung des Benutzers kennen?

Zu meiner großen Freude (und etwas überrascht war ich auch), wurde mein Wunsch, bei einer Operation zuzusehen, schon am nächsten Tag ermöglicht. In der Teeküche im OP-Trakt saß ich, ein wenig stolz auf  die grüne Kleidung, inmitten von Enfermeros, die diese Tracht täglich tragen dürfen, und nach eine kurzen Andacht ruhig den Kaffee austranken, während sie über den Tagesablauf instruiert wurden. Ich wurde vor die Wahl gestellt: Lapraskopische Gallenblasenentfernung oder Kaiserschnitt. Meine Neugier zog mich ganz und gar nicht in Richtung des minimal-invasiven Eingriffs und so äußerte ich die titelgebende Präferenz. Weil ich, für den Fall des Falles (viele fallen beim Anblick von Blut bekanntlich um) vorsorglich auf einen Stuhl gesetzt wurde, habe ich den Schnitt leider verpasst. Danach Action: Operateurin und Assistenten ziehen scheinbar mit aller Kraft an breiten Metallhaken die Öffnung größer, aus der – welche Freude! – ein kleines Kind herausgehoben wird. Es zögert kurz und fängt dann zu schreien an. Ich kenne mich nicht aus, aber glaube, dass das ein gutes Zeichen ist. Es darf allerdings nicht zum Zuschauen bleiben, sondern wird von der Kinderärztin in Sicherheit gebracht. Dann wird die Plazenta herausgenommen. Weil ich noch bei Bewusstsein bin, verlasse ich den Stuhl und suche mir einen Platz mit besserem Blick aufs OP-Feld. Nach und nach werden die verschiedenen Schichten mit einer praktischen gebogenen Nadel zugenäht, die mit einer Pinzette immer wieder durch die zusammenzuführenden Gewebe geschoben wird. Schließlich ist alles zu, die Patientin wird in den Aufwachraum befördert und meine Aufmerksamkeit dem künftig zu digitalisierenden OP-Bericht gewidmet, den die Gynäkologin in diesem Moment niederschreibt.

Danach sehe ich mir noch den Rest der Gallenblasenentfernung im Nachbarsaal an, denn so schnell bekomme ich so eine Gelegenheit bestimmt nicht wieder. 

Der Einblick beflügelt. Mitlerweile sind Benutzeroberflächenentwürfe entstanden, die am Donnerstag den zukünftigen Benutzern präsentiert werden können, die dann feststellen müssen, wo wir sie falsch verstanden haben und welche weiteren Wünsche ihnen vielleicht erst während der Präsentation eingefallen sein werden. Alles macht mir großen Spaß.

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