Dunkelheit

Es liegt eine ungewohnte Stille über dem ganzen Dorf, nur unterbrochen vom gelegentlichen Gebell aufgeschreckter Hundechöre. Kein Mensch ist auf der Straße zu sehen und es ist auch kein Mensch auf der Straße. Keine Musik. 

Es muss mitten in der Nacht sein, doch es ist noch nicht einmal zehn Uhr. Die Straßen sind kaum wiederzuerkennen. Der Lichtkegel tastet die Straße ab und es gelingt ihm doch. Ein verwirrter Hund knurrt laut und beginnt drohend zu bellen. Wenn schon überall die Beleuchtung gestohlen wurde, versucht er, wenigstens noch sein Revier zu verteidigen. Der auf seine Augen gerichtete kaltweiße Lichtschein macht ihn unschlüssig. Ein angedeuteter Steinwurf lässt ihn zusammenzucken, ohne dass der Stein jemals die Hand verlassen hätte.

Einige hundert Meter weiter. Ein Lebenszeichen: Durch eine geöffnete Tür sind einige Frauen sichtbar, ein batteriebetriebener Scheinwerfer erleuchtet von hinten den Eckladen. Sie unterhalten sich mit leisen Stimmen.

Ein vielleicht dazugehöriger Mann hat sich vor dem Haus in sein altes Taxi zurückgezogen, aus dessen Radio durch die heruntergelassenen Fensterscheiben nun doch leiser Wayno ertönt. Trotz des Regens, der mit dem Gewitter gekommen war, ist die Luft nicht kalt, sondern nur angenehm feucht. Buenas noches. Der Mann erwidert den Gruß.

Das Handy meldet H+-Empfang. Die Sendemasten sind also unabhängig versorgt.

Noch vor zehn Jahren muss es immer so gewesen sein. Mit der Dunkelheit muss die Nacht begonnen haben.

Damals gab es nur stundenweise Elektrizität. Wie es wohl wäre, wenn alle Tage so früh endeten? Wie wäre das wohl in Deutschland, besonders im Winter?

Während ich noch, bereits im Bett liegend, meine Gedanken festhalte, ertönt ein kurzes Brummen. Die Wasserpumpe, sie läuft wieder und sie hat Druck auf der Leitung aufgebaut. Eine Straßenlaterne zeichnet nun wieder das die Vorhänge säumende helle Rechteck an die Wand.

Es ist ein ganz kleines bisschen schade, dass der Strom wieder da ist, auch wenn es natürlich gut ist, dass die Kühlschränke in Curahuasi in dieser Nacht weiterkühlen.

Uns Menschen reicht die Zeit nicht, die uns der Tag gibt. Viele Stunden stehen auf eingedeichtem Gebiet, das der Nacht aufwendig abgetrotzt wird. Doch scheint das Leben nicht immer noch zu kurz zu sein?

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