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Erster Arbeitstag

Lange habe ich mich darauf gefreut, endlich richtig loszulegen. Heute war es soweit. Es stand an, meinen Arbeitsplatz einzurichten (der Schreibtisch stand schon, die Technik konnte ich mir aus dem Lager zusammen suchen. Vielleicht finde ich irgendwann auch noch eine Tastatur mit weniger schwammigem Druckpunkt). Danach stand die Installation des Systems an. Glücklicherweise gab es eine DVD mit Ubuntu, doch beim Installieren der Software musste einiges über die Internetverbindung laufen. Deren Geschwindigkeit ist unterirdisch, weil die Anbindung via UMTS durch die Luft erfolgt. Wohlgemerkt die Anbindung eines ganzen Krankenkauses. Dafür werden mehreren  handelsübliche UMTS-Sticks ins Netz eingehängt. Obwohl ich für die Installation einen eigenen Stick ganz für mich nutzen durfte, ging es sehr schleppend voran und ich musste viel Zeit mit Warten verbringen, teilweise unter Lesen von noch mehr Rails-Literatur. Über Nacht läuft nun ein allgemeines Systemupdate, ein halbes  Gigabyte groß. Hoffentlich reißt die Verbindung nicht ab! Eine sehr willkommene Abwechslung war deswegen die Mittagspause. Mit Wilmer (dem Linux-Guru) verleibte ich mir in der Kantine leckeren Fisch ein. Auf der anderen Seite saß der jüngere der beiden Krankenhauspastoren. Irgendwie kamen wir auf Musikinstrumente zu sprechen, was den Rest der Mittagspause unglaublich versüßte, denn der frühere Gitarrist schlug vor, in der Kapelle ein wenig zu proben (ich hätte nicht gedacht, dass das möglich ist, aber man darf dort tagsüber üben). Dabei spielte Wilmer sogar Cajon, sodass wir zu dritt waren. Zum Glück sind manche der spanischen Lieder einfach Übersetzungen des bekannteren englischen Lobpreis-Liedguts. Nach der Pause ging es weiter wie vor der Pause. Am Ende des Tages hatte ich immerhin Framework, Entwicklungsumgebung und Datenbank installiert, den Code ausgecheckt und eine Testdatenbank aufgesetzt. Leider läuft es noch nicht, denn ein paar Abhängigkeiten (gems)  verweigern noch die Kompilierung. Dem konnte ich heute nicht mehr beikommen, obwohl ich länger als eigentlich vorgesehen geblieben bin, weil ich mir ein abschließendes Erfolgserlebnis gewünscht hätte und auch, weil ich nicht als erster gehen wollte und aus verschiedenen Gründen alle anderen überzogen.

So kam es, dass ich auf dem Heimweg erlebte, was die Regenzeit bedeutet. Während es Tagsüber frühlingshaft warm und morgens so überzeugend sonnig gewesen war, dass ich meine Jacke auf ihrem Haken gelassen hatte, begann es abends ordentlich zu regnen und hat auch bis jetzt nicht aufgehört. Deswegen war ich sehr glücklich, den Weg zurück ins Dorf gegen Spritgeld auf der Ladefläche des umgebauten Motorrads eines netten Herrn zurücklegen zu dürfen.

Mit eigenen Augen

Heute habe ich das Hospital zum ersten Mal mit eigenen Augen gesehen. Zu Fuß lief ich die Panamericana entlang, bis am Ende des Ortes das Schild auftauchte (ganz weit hinten auf dem Foto):

Etwas größer:

Das Schild ist natürlich unwichtig. Allerding habe ich heute auch eine Führung durch das Krankenhaus bekommen und, was am wichtigsten ist: meine Kollegen kennen gelernt. Während der Führung habe ich die Augen offen gehalten und das Handy in der Tasche gelassen. Deswegen gibt es nur vom zukünftigen Büro ein Bild:

Leider habe ich kein Weitwinkelobjektiv, schon gar nicht am Handy, weswegen der dritte Arbeitsplatz nicht erkennbar ist (da arbeitet der Linux-Server-Guru). Demnächst kommt noch ein vierter dazu, meiner (ich habe Glück: ein Core i5 steht noch im Techniklager). Meine Aufgaben stehen jetzt quantitativ fest: 70% Ruby-Entwicklung an der Verwaltungssoftware und 30% Server-Administration, denn besagter Guru (er heißt Wil) wird uns leider im Januar verlassen. Bis Ersatz gefunden ist, muss ich seine Aufgaben übernehmen. Gut, dass ich so etwas noch nie gemacht habe ?. Er wird mich einlernen müssen. Noch eine interessante Beobachtung: die durchs Fenster (das Fenster ist übrigens (fast) das Einzige, das hier etwas mit Windows zu tun hat) scheinende Sonne. Netterweise hat man die IT nicht in den Keller sondern in den dritten Stock verbannt.

Und wo sind die besagten Kollegen? Sie sind schon aufgestanden, denn wir brechen gerade gemeinsam zum Mittagessen in der Kantine auf.

Diese Woche gilt es, die Wohnung fertig einzurichten und alles Nötige einzukaufen. Außerdem habe ich einen USB-Stick voller Material mitbekommen, um mich einzulesen, damit ich nächste Woche loslegen kann.

„Sind wir in Curahuasi?” 

Das fragte ich heute den Fahrer des Colectivos.  Als er bejahte, warf ich (nochmals)  einen Blick auf die Tankstelle und die Häuser um mich herum. Obwohl ich schon gewusst hatte, dass Curahuasi um die 10.000 Einwohner hat, kam mir der Ort erstaunlich groß vor. Zum Glück wurde ich, als ich bei meiner Wohnung ankam, von meinem neuen Nachbarn (und Pflegedienstleiter des Hospitals) Harry erwartet und wir nahmen gemeinsam ein Spätstück ein. Bei einem nachmittäglichen Rundgang bekam ich ein grobes Bild vom Ort und habe auch das Nötigste gleich kaufen können (zum Beispiel Klopapier. Und Nudeln, für alle Fälle). Bei der Rückkehr lerne ich das Ehepaar Klemenz kennen. Ich habe schon viel von ihnen gehört:Udo Klemenz ist der Bauingenieur, der (unter anderem)  den Bau des Krankenhauses beaufsichtigt hat. Außer Harry und mir wohnen noch zwei weitere Personen auf unserer Etage: Daniela ist die Apothekerin und Sandy eine Gynäkologin, die, anders als ihr Name es vermuten lässt,  aus Lima kommt. Die Peruanerquote beim gemeinsamen Kochen, zu dem Harry abends alle eingeladen hat, liegt also bei 25% und wir verspeisen den Nudelauflauf auf Spanisch.

Ich lege mich schlafen (in ein paar Minuten) und bin froh, gut angekommen zu sein. Das ist nicht vor allem auf die kurvige Straße bezogen, deren Kurven zu schneiden eine Angewohnheit mancher entgegenkommender Lastwagen ist (Knapp daneben ist auch vorbei). Irgendwie geht mir gerade auf, dass spätestens jetzt aus der Idee, hierher zu kommen, Realität geworden ist. Offenbar muss ich daran gezweifelt haben.

Chicha Morada

Bevor ich aus Arequipa verschwinde, gibt es noch ein paar Fotos von hier (es gibt sie schon eine ganze Weile), die ich vorher noch posten möchte.
Und ich habe noch viel zu wenig über das Essen geschrieben (habe aber auch viel zu wenige Fotos davon, denn beim essen esse ich ja).
Sehr interessant ist jedoch: Es gibt Mais, der lila ist.
Unter anderem wird daraus auch ein Getränk hergestellt: Chicha Morada.
Auf Wikipedia heißt es:

Das Getränk ist allgegenwärtig in Peru, vor allem in der Hauptstadt Lima. Die nichtalkoholische Variante der Chicha [ohne morada] wird es auch gern an Kinder serviert und ist in Konkurrenz zu Softdrinks fester Bestandteil jedes geselligen Ereignisses.

Dieses Zitat kann ich in eigener Erfahrung bestätigen, denn die ebenfalls im Haus lebende Großmutter hatte vergangene Woche Geburtstag. Getrunken wurde Chicha Morada und Inca-Cola (ein Softdrink mit viel Zucker und chemischem Beigeschmack. Berüchtigterweise für Europäer ungenießbar). Chicha Morada hingegen schmeckt sehr gut (wie kalter Kinderpunsch – wahrscheinlich wegen der Nelke).
Nun endlich zu den Bildern:

Geschichten schreiben

Jeder würde gerne Geschichte schreiben, aber Geschichten muss man höchstens in der Schule schreiben. Doch genau da bin ich ja in den letzten Wochen gewesen (gestern war mein letzter Tag am Instituto).
Eine in diesem Sinne sehr typische Hausaufgabe (auf Mittwoch) lautete: „Beschreibe, was wir heute im Unterricht gemacht haben, aber benutze dabei auch Subjuntiv-Zeiten.“
Zum Glück war der Unterricht sehr spannend und ungewöhnlich gewesen. „Warum stellst Du den Text nicht auf Deinen Blog?“, fragte mich Juan Carlos nach dem Vorlesen. Gute Idee. Read More

Tráfico

Es ist kein Geheimnis, dass der Straßenverkehr in Südamerika anders funktioniert als in Europa. Als Betrachter könnte man zu dem Schluss kommen, dass derjenige Vorfahrt hat, der es zuerst in eine Lücke schafft. Völlig egal, aus welcher Richtung kommend. Das führt nicht (immer) zu Unfällen, weil der „Verlierer“ abbremst, bevor er auffährt. Auch wenn genau dieses Phänomen im folgenden vor ein paar Tagen auf dem Heimweg gefilmte Video nicht zu sehen ist, bietet es einen lebhaften Einblick in die belebten Straßen Arequipas.

Anstehende Weiterreise nach Curahuasi

  • Wie geplant, möchte ich am 01.11. in Curahuasi ankommen. Weil es sich beim letzten Mal bewährt hat, werde ich wieder den Landweg nehmen und habe mir darum soeben ein Ticket gekauft, um in der Nacht vom 31.10. auf den 01.11. im Bus nach Cusco kutschiert zu werden. Von dort aus geht es dann gleich weiter nach Curahuasi.
    Es ist schade, die Schule, die Gastfamilie und die Freunde, die schöne Stadt und die Sonne hinter mir lassen zu müssen, aber jetzt geht das los, wofür ich da bin.
  • Anders als geplant (aber ich bin trotzdem froh darüber) werde ich am 01.11. nicht direkt mit der Arbeit beginnen, denn ich habe jetzt erfahren, dass Neuankömmlinge sich zuerst einmal eine Woche lang einleben und das Krankenhaus kennen lernen können. Mein zukünftiger Chef hat mir schon eine Email geschrieben, damit wir uns in dieser Zeit schon einmal treffen können. Ich bin gespannt, was mich erwartet.

El Misti

Am Wochenende habe ich mir die Freiheit genommen, frei zu haben und meine Akklimatisation auf die Probe gestellt.
Gemeinsam mit einem FSJler, den ich im Instituto kennen gelernt habe, habe ich mich einer großen Gruppe Peruaner angeschlossen, die anlässlich des 115-jährigen Bestehens des Gipfelkreuzes auf dem El Misti eben diesen Vulkan bestieg. Mit letzter Kraft am Gipfel (5820m) angekommen, trafen wir dort endlich den Herrn, der hier seinen 94.(!) Geburtstag feierte. Natürlich war er aus eigener Kraft hochgestiegen und hat es damit nicht nur auf den höchsten Punkt des Berges sondern auch in die Lokalzeitung geschafft. Respekt!

Einkäufe


Pedro, mein Gastvater, hatte mir vorgeschlagen, morgens laufen zu gehen, um mich schneller zu akklimatisieren. Auf der ungeschriebenen Liste der Dinge, die ich nicht mit nach Peru gebracht habe, wurden daher sporttaugliche Schuhe der erste Punkt, der in einer Ersatzbeschaffung resultieren sollte. Doch wo bekommt man die her? Glücklicherweise hat mein Gastvater nicht nur temporäre sondern auch leibliche Kinder, teilweise weiblichen Geschlechts, was vermutlich überall auf der Welt mit genauer Kenntnis der lokalen Bekleidungsmarktsituation einhergeht. Es war also glücklicherweise unmöglich, das Haus mit den Worten „Ich gehe mir Schuhe kaufen“ aber ohne hilfreiche Beratung zu verlassen, die in diesem Fall aus der Wegbeschreibung zu einem „Centro Comercial“ und dem Hinweis, dass es kein modernes Einkaufszentrum sei, bestand, der nichts daran änderte, dass ich mir darunter vorerst weiterhin ein einzelnes Gebäude vorstellte. Das änderte sich beim Ankommen. In der Nähe der Avenida Goyeneche (Streetview Link) gibt es durchaus die Möglichkeit, alles Mögliche zu kaufen: Pro Warengruppe gibt es Straßenabschnitte, in denen man durch Hauseingänge in Lagerhallen gelangen kann, welche in unzählige kleine einzeln vermietete Geschäfte unterteilt sind, in denen die entsprechende Ware verkauft wird – mit erheblichen Unterschieden hinsichtlich Preis, Qualität und Echtheit der angebotenen Artikel. Read More

Sonntagsmilch

Mit ein paar Tagen Verspätung möchte ich mit euch eine Geschichte teilen, die sich am Wochenende ereignet hat. Als ich morgens die Treppe herunterstieg und die Küche betrat, fand ich einen wunderbar gedeckten Frühstückstisch vor. Unsere Gastmutter Chichi hatte zu allem Überfluss Pancake-Teig vorbereitet und wir konnten frische Pancakes direkt aus der Pfanne genießen. Das reicht meiner Ansicht nach schon, um das Frühstück als vollkommen zu bezeichnen, denn mir fällt keine weitere Ausbaustufe für Frühstück ein. So viel zum Thema entbehrungsreiches Missionarsleben. Vielleicht kommt das noch. Wir saßen also zu viert um den perfekten Frühstückstisch und stellten plötzlich dessen einzigen Makel fest (weil der Diminuitiv hierzulande sehr beliebt ist, sollte ich  vielleicht besser von einem Makelchen sprechen). Es fehlte die Milch und auch im Kühlschrank war sie nicht wie gewohnt zu finden. Weil wir die Ursache in uns als den Suchenden sahen, trauten wir uns, um sicherzugehen, die Gastmutter, als sie vorbeikam, zu fragen. ¿Puede ser que no tengamos leche? Denn niemand von uns hatte mit ihrer Reaktion gerechnet. Nachdem auch sie vergeblich im Kühlschrank nachgesehen hatte, war sie plötzlich verschwunden. Wir vermuteten, um anderswo im Haus, vielleicht der eigenen Wohnung, Milch zu holen. Bis sie nach zehn Minuten mit einer Packung Milch vom Kiosk um die Ecke zurückkam (die meisten Geschäfte sind Sonntags geöffnet) und damit große Begeisterung (und Schuldgefühle) bei uns auslöste. Wenigstens möchte ich also die Moral der Geschichte hier öffentlich festhalten: Unsere Gastmutter ist großartig. ¡Viva Chichi!